von JasminTeam
Die
Durchsetzung von Hartz IV wurde maßgeblich durch Lobbyisten des
Medienkonzerns Bertelsmann vorbereitet und durchgesetzt. Der Grund
dafür: Die Pläne für die „Reformen“ stammten aus der
Bertelsmann-Konzernstiftung und von der damaligen
Bertelsmann-Hausberatung McKinsey (später wechselte der Konzern zu
Roland Berger). Heute schieben Bertelsmann-Medien die Schuld für das
Hartz-IV-Desaster auf die SPD und ihren Altkanzler Schröder: Eine
Strategie, um die Grünen, aber auch Union und FDP reinzuwaschen?
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Helga Spindler, (Prof. Dr. jur. Helga Spindler, Universität
Duisburg-Essen, Campus Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften,
Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik. Biographie, Publikationen und Vorträge. |
Helga Spindler analysierte den Prozess
der Durchsetzung von H4 in einem unveröffentlichten Papier, das hier in
voller Länge dokumentiert wird und die Drahtzieherherrolle von
Bertelsmann belegt (unautorisierte Dokumentation, Zwischenüberschriften,
Verschlagwortung und kleinere Korrekturen von Jasminteam) zu
Bertelsmann als Drahtzieher der Hartz “Reformen”
Wenn
heute an die Übergabe des Berichts: „Moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt“ im Französischen Dom in Berlin erinnert wird, dann denken
viele spontan an, das neue Grundsicherungssystem, in das Millionen
Menschen mit Partnern und Kindern ohne Rücksicht auf Qualifikation und
Berufserfahrung hineingepresst werden und das Hunderttausende in
unterwertige Arbeitsplätze gezwungen hat, ohne ihnen sozialen Schutz zu
bieten.
In der Tat hat die Kommission
einige Dämme zur Regulierung am deutschen Arbeitsmarkt eingerissen und
eine Sozialbehörde zum datenfressenden Controlling- und IT- Monster
pervertiert und sie hat mit Modul 6: „Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
zusammenführen“ und Modul 3 mit dem etwas zynischen Titel : „Neue
Zumutbarkeit und Freiwilligkeit“ die Stichworte für Hartz IV gegeben,
aber eben nur die Stichworte. Auch hat sie diese mit teilweise anderen
Vorstellungen über die Umsetzung verbunden, was letztlich die
Öffentlichkeit besonders raffiniert getäuscht hat in Bezug darauf, was
mit Hartz IV und nicht zu vergessen auch mit der deutlichen
Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung in Hartz III auf sie
zukommen sollte.
Hartz IV: Postdemokratie und korrupte Kungelei
Schon
immer war auffällig, dass diejenigen, die die damaligen Vorgänge
erforschen, weniger auf die Analyse von öffentlich zugänglichen
Dokumenten zurückgreifen konnten, sondern auf die Auswertung von
Insider-Informationen, meist anonymisierte Interviews mit Akteuren der
damaligen Zeit, angewiesen waren. Diese Untersuchungen sind inzwischen
ergänzt durch die Arbeit von Anke Hassel und Christof Schiller, die
wiederum Insider interviewt haben, die mit zunehmendem zeitlichen
Abstand auch immer unbefangener geplaudert haben.
Anke
Hassel absolvierte 2003/2004 einen Forschungsaufenthalt in der
Leitungs- und Planungsabteilung des Ministeriums für Wirtschaft und
Arbeit von Minister Wolfgang Clement (SPD, später FDP), wo sie
eigentlich an einer Analyse der Grenzen deutscher Reformkapazität
arbeiten wollte. Ihre Beobachtungen zur Entstehung von Hartz IV haben
sie jedoch von der „Reformfähigkeit“ des deutschen Sozialstaats und
insbesondere der Ministerialbürokratie überzeugt. Sie betrachtet die
Vorgänge allerdings weniger kritisch aus demokratischer,
rechtsstaatlicher oder gar sozialer Sicht, sondern mit einer gewissen
Faszination für das strategische Arbeiten der Bürokratie, wo sie einen
neuen Typ politischer Unternehmer erkennt, also aus einer
Elitenperspektive. Jetzt ist sie Professorin für Public Policy an der
privaten Hertie School of Governance in Berlin und dort Kollegin von
Jobst Fiedler, der 2004 zum Professor für Public and Financial
Management ernannt wurde und als Mitglied der Hartz- Kommission noch in
Diensten
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Bernd Berger -Unternehmungsberatung (Bildeinfügung durch Blogger KM) |
der Unternehmensberatung Roland Berger (Hausberater von
Bertelsmann) stand.
Aus
ihren Informationen ergibt sich kurz gesagt: Speziell Hartz IV und die
verbliebene Rest- Arbeitslosenversicherung und Rest- Sozialhilfe haben
wir nicht in erster Linie der Hartz Kommission oder gar dem Namensgeber
Peter Hartz persönlich zu verdanken, sondern , einer geheimen
Staatsaktion, einer recht undemokratischen, handstreichartigen
Hintergrundarbeit aus dem Bundesarbeitsministerium (BMA) und dem
Bundeskanzleramt, einverständlich koordiniert und gelenkt durch die
Bertelsmann Stiftung .
Steinmeier und Gerd Andres holen Markus Klimmer von McKinsey
Hassel
schreibt in dem Kapitel „Stunde der Reformer“, dass es Anfang 2002
bereits „einen Kern verantwortlicher Politiker und Beamter“ gegeben
habe, „die die Probleme am Arbeitsmarkt in ähnlicher Weise
interpretierten und den Vermittlungsskandal nutzen wollten, um ihre
Reformvorschläge durchzusetzen“.
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Frank Walter Steinmeier heute
Bundespräsident der BRD
(Bildeinfügung durch Blogger KM) | |
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Markus Klimmer, damals bei Mc Kinsey (Bildeinfügung durch Blogger KM) |
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Gerd Andres, SPD, Bundesverdienstkreuz 2007, (Bildeinfügung durch Blogger KM)
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„Tragende Akteure“ dieses Prozesses
seien im Bundeskanzleramt Frank Walter Steinmeier und im BMA Staatssekretär Gerd Andres
gewesen. Walter Riester erinnert sich nach dem Vermittlungsskandal an
ein Gespräch mit Steinmeier: „Walter, wir müssen das eigentlich mit
einem massiven eigenen Schlag lösen. Wir stehen jetzt vor der
Bundestagswahl. Und seine [Steinmeiers] erste Vorstellung war, McKinsey einzusetzen.“ Vermutlich dachte Steinmeier schon damals an den befreundeten McKinsey Berater Markus Klimmer, verantwortlich für den Bereich „Public Sector“
und Promoter für technologiedominierte Verwaltung und Privatisierung,
den er 2008 für sein Wahlkampfteam engagierte und der bis heute IZA
Policy Fellow, Mitglied im Managerkreis der Ebert Stiftung und in der SPD und ihrem Wirtschaftsrat ist und neuerdings im gleichen Feld für das Beratungsunternehmen Accenture arbeitet.
Steinmeier
teilte diese Vorliebe für die „Meckis“ mit Peter Hartz, der aber wegen
gemeinsamer Projekte bei VW den McKinsey- Direktor Peter Kraljic für
seine Kommission vorzog.
Später stießen Florian Gerster (heute
ebenfalls Mitglied im Managerkreis der Ebert Stiftung und in der SPD,
IZA Policy Fellow, Präsident Arbeitgeberverband Briefdienste,
Botschafter INSM und Unternehmensberater ; damals kurzzeitig
Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit) und Wolfgang Clement
( heute konsequent bei der FDP) zu dieser Gruppe.
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Minister Riester, Rührup und Maschmeyer (Bildeinfügung durch Blogger KM) |
Gerd Andres nutzte die Stunde unter dem noch unerfahren Minister Riester,
der sich zudem mehr für die Alterssicherung interessierte, um die
zuständige Abteilung mit jungen und einschlägig ausgewählten
Mitarbeitern wie Abteilungsleiter Bernd Buchheit aus NRW und
weiteren Referatsleitern neu zu besetzen. Buchheit sorgte dafür, dass
die Zuständigkeit für Sozialhilfe vom Gesundheitsministerium schnell ins
BMA verlegt wurde. Das alles ist für sich genommen noch nicht anstößig.
Nur wurde die weitere Arbeit nach außen und von demokratischer
Auseinandersetzung und Kontrolle abgeschottet.
Denn
man baute nichtöffentlich mit der Bertelsmann Stiftung einen
Arbeitskreis: „Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ auf, der dann
an zentraler Stelle an der Politikformulierung beteiligt wurde.
Hartz-Konspiration: Bertelsmann bringt Workfare
Ich
selbst (Helga Spindler) war dem breiten Akteursgeflecht, das die
Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen hatte, nur mit viel Mühe auf der
Spur gekommen, als ich den Aktivitäten der Bertelsmann Stiftung und der
von ihr beauftragten Mitarbeiter (Frank Frick, Werner Eichhorst, Helga
Hackenberg) nachging: Deren Dokumente waren nur teilweise zugänglich und
dann plötzlich auch im Netz verschwunden. Dies wurde verzahnt mit einem
weiteren Bertelsmann Projekt: BiK – „Beschäftigungsförderung in den
Kommunen“, wo schon in Sozialhilfezeiten kommunal mit Workfare Modellen
experimentiert wurde und die Popularisierung von Workfare Entwicklungen
in USA (Wisconsin), Großbritannien und Niederlande betrieben wurden –
Experimente auf die auch Roland Koch von der CDU schon ein Auge geworfen
hatte und die öffentlich zu diskutieren ein parteipolitisches Risiko
geworden wäre.
Allerdings war über
den Arbeitskreis kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Vertreter des BMA
und des Kanzleramtes waren darin, aber auch Vertreter aus
Länderministerien, vor allem aus dem federführenden Bundesland NRW,
Vertreter von Kommunalverwaltungen, Heinrich Alt von der BA , Martin
Kannegießer von Gesamtmetall und sogar Wilhelm Adamy vom DGB. Die
Arbeitsgruppe wurde bewusst nicht beim BMA angesiedelt, was ein
Mitarbeiter so begründete: „Wenn wir als BMA einen Gesprächskreis
institutionalisieren und dazu einladen…. dann kommen die alle mit ihren
institutionellen Hüten und wir kriegen keine Debatte“. Anke Hassel
schreibt mit Bezug auf von ihr interviewte Beteiligte:
„Die
politischen Parteien und Bundestagsabgeordnete waren im Arbeitskreis
nicht vertreten. Nach der Einschätzung eines Beteiligten, hatte sich in
den Parteien in dieser Frage niemand profiliert. Wesentliche Spielregel
des Arbeitskreises war, dass alle Mitglieder nur als Person und nicht
als Vertreter einer Institution auftraten. Eine Voraussetzung dafür war,
dass keine Einzelheiten und Ergebnisse publik werden sollten. Ein
anderer Teilnehmer erinnert sich:“ Hier konnte man als Privatmann
sprechen.“
Die Auswahlkriterien für
den Teilnehmerkreis waren zum einen Kenntnis der Probleme der
Arbeitsverwaltung, zum andern die individuelle Bereitschaft, über
institutionelle Reformen nachzudenken…. Alle Teilnehmer waren dafür
bekannt, offen für Kompromisse und neue Ideen zu sein. Da es sich bei
dem Arbeitskreis um einen geschlossenen Kreis handelte, bei dem
Sitzungen weder dokumentiert noch publik gemacht wurden, konnten
Kompromisse über Parteigrenzen und institutionelle Restriktionen hinweg
ermöglicht werden.
H4: Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Die
Bertelsmann Stiftung stellte dafür die (finanziellen) Projektressourcen
und die wissenschaftliche Expertise zur Verfügung und organisierte
Studienreisen. Die Initiative sowie die Themensetzung kam jedoch aus dem
BMA in Person von Bernd Buchheit, dem Abteilungsleiter der Abteilung II
Arbeitsmarktpolitik. “
Der Arbeitskreis traf sich zu Workshops
an abgelegenen Orten und führte dort offene Debatten über die
Fehlentwicklungen der Arbeitsmarktpolitik….. Bald erschien die
Zusammenlegung der beiden Systeme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe als
die „einzig gangbare Lösung in der Arbeitsmarktpolitik“ Der DGB
Vertreter Wilhelm Adamy wehrte sich zwar dagegen, konnte sich aber nicht
durchsetzen. Spätestens dann hätte die Überlegung öffentlich gemacht
werden müssen. Wurde es aber nicht, im Gegenteil: die Lösung wurde
bereits als alternativlos gehandelt. Die Gruppe trat dann während der
Arbeit der Hartz-Kommission mit einer Empfehlung an die Öffentlichkeit,
aber getarnt als „Kommission von unabhängigen Sachverständigen“ eines
Projekts der Bertelsmann Stiftung, nicht als das maßgebliche Geheimgremium des Ministeriums.
Zwangsarbeit statt Menschenwürde: Bertelsmann, Gerster und Clement
Schon
im März 2002 preschten Gerster zusammen mit Clement mit der Forderung
nach Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf
Sozialhilfeniveau und Einschnitten bei der Arbeitslosenversicherung nach
vorne. Die beiden vertraten ihre Ideen wenigstens nach außen. Aber die
Öffentlichkeit sollte noch nicht verschreckt werden, deshalb wurde der
Plan zunächst wieder dementiert, nur um verdeckt weiterarbeiten zu
können. Der zaudernde Riester wurde zurückgedrängt. Überstürzt und mit
kurzem Zeitfenster wurde die Hartz Kommission einberufen.
Da
man sich vor Beginn der Arbeit der Kommission im BMA bereits auf die
Zusammenlegung der beiden Systeme geeinigt hatte, sollte dieser Punkt
nicht im Vordergrund der Kommission stehen, sondern man verwies sie auf
die Bertelsmann Arbeitsgruppe und deren Konsens:„Daher bestand dann
unter den Mitgliedern der Kommission schnell Einigkeit darüber, dass es
zu einer Zusammenlegung der Systeme keine Alternative gäbe.“ Klar, bei
so viel Vorarbeit!
Fast alle
Vorschläge, die in das Teilprojekt II der Kommission:
Lohnersatzleistungen und Sozialhilfe (Mitglieder waren Isolde Kunkel
Weber, Wolfgang Tiefensee, und Harald Schartau) eingespeist wurden,
kamen aus dem BMA. Buchheit und Gerster wirkten in der Kommissionsgruppe
mit ohne Mitglieder zu sein. Dabei wurde offenbar schon über die von
einigen klar formulierte Abschaffung und Kürzung gestritten, denn es
jagten sich zeitweise Pressemeldungen, Dementis und Beschwichtigungen
nach dem Muster: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ Aber
zumindest das allgemeine Konzept der Zusammenlegung möglichst noch ohne
die Einzelheiten, musste unbedingt in den Abschlussbericht. Sonst
“haben wir [das BMA; Anm.der Autoren] in der nächsten Legislaturperiode
keine Chance. Das war schon Absicht“, zitieren Anke Hassel und Christof
Schiller einen Mitarbeiter des BMA.
Der
Berichtsentwurf der Teilgruppe der Kommission wurde praktischerweise
gleich im BMA ausgearbeitet. Wie man jetzt erkennt, war es Kalkül, dass
der Kommissionsbericht was die Zusammenlegung anging sehr vage blieb und
sogar die Beibehaltung der Arbeitslosenhilfe vortäuschte. Hauptsache,
einen Monat vor der Bundestagswahl 2002 war das heimlich vorbereitete
Thema endgültig auf der Regierungsagenda. Auch die strategisch konformen
Berichterstatter im Parlament, Brandner ( SPD) und Dückert (Grüne)
behaupteten, eingeweiht gewesen zu sein und Laumann (CDU) und Niebel
(FDP) waren sowieso der Meinung, sie hätten die konkreten Einschnitte
schon lange gefordert.
Bertelsmann-Kuckucksei der Hartz-Kommission untergeschoben
So
wirkte die Kommission als Legitimationsaufkleber für eine Gruppe, die
längst alles vorbereitet hatte. Und jetzt kommt das wörtliche Zitat
eines der Akteure aus dem BMA: “Wir haben das als Kuckucksei der
Hartz-Kommission untergeschoben“ Die gleichen Personen haben dann unter
Minister Clement alle angedachten Rechtspositionen für Arbeitslose aus
den Entwürfen gestrichen, und parlamentarischen Widerstand mit
willkommener Hilfe der Opposition ausgebootet.
Die
„Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ war für sie von
Anfang an die Chiffre für die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe,
erheblichen Leistungsabbau in der Arbeitslosenversicherung und ein neues
System einer rechtloseren Sozialhilfe, die nicht mehr dem Ziel der
Schaffung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse verpflichtet
ist, – was letztlich auch einer Abschaffung der bisherigen Sozialhilfe
gleichkam.
Die damals durchaus
vorhandenen Schwachstellen bei der Verwaltung von Leistungen für
Arbeitslose hätte man auch ohne eine Systemänderung beheben können.
Konzeptionell zwingend war die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe nur für
diejenigen, die den Druck auf arbeitserfahrene und deshalb oft
selbstbewusstere und etwas teurere Arbeitslose verschärfen wollten.
Dass
ausgerechnet die Servicewüste Jobcenter, in der Dokumente und Akten
unauffindbar sind, in der Mitarbeiter verheizt werden und wechseln wie
im Taubenschlag, sich ohne Telefonnummer im „Back-office verschanzen und
unlesbare Bescheide verschicken müssen und wo aus den
unterschiedlichsten Gründen inzwischen eigentlich auf beiden Seiten des
Schreibtisches Begleitschutz organisiert werden muss- dass das vor 10
Jahren ausgerechnet unter dem Stichwort: “Moderne Dienstleistungen“ der
staunenden Bevölkerung empfohlen wurde, das war schon ein Coup der
Unternehmensberaterbranche, den man mit feinem Gespür für das Machbare
auf wehrlose Arbeitslose konzentriert hat.
Hartz IV-Postdemokratie: Hinterzimmer statt Parlamentsdebatte
Offen
und ehrlich ist über die Zusammenlegung, ihre Vor- und Nachteile,
parlamentarisch nie richtig gestritten worden. Das muss nachgeholt
werden. Und da reicht nicht ein einfaches: “ Hartz IV muss weg“, sondern
es geht um eine Alternative, die dafür einen verlässlichen Rahmen
setzt. Die ist jedoch schwer zu erkennen, wenn diese Gesetzgebung selbst
in Gewerkschaftskreisen immer noch als „Vorwärtsreform“ und als
sozialer Fortschritt bezeichnet wird. Wenn derHeiner Lauterbach noch 2008 doziert:
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(Bildeinfügung durch Blogger KM) |
linke Sozialdemokrat
„Links
ist, für die zu kämpfen, denen es am schlechtesten geht. Und das sind
in unserer Gesellschaft die Armen ohne Arbeit. Diese Menschen sind nicht
organisiert, gehören keiner Gewerkschaft an. Sie haben kein Sprachrohr ,
keine Lobby. Diese Männer und Frauen waren vergessen. Für sie haben wir
Arbeit geschaffen, keine perfekte Arbeit, keine gut bezahlte Arbeit,
aber immerhin Arbeit. Diese Reformen waren ein linkes Projekt…“
So
lange selbst in rot-rot geführten Bundesländern genauso bedenkenlos mit
Sanktionen hantiert und Beratung und qualifizierte Förderung verweigert
wird, wie im CDU geführten Hessen und die Zwangszuweisung in
unterbezahlte geförderte Beschäftigung als Erlösung von Arbeitslosigkeit
gefeiert wird.
Es besteht eher die Gefahr, dass Kurt Biedenkopf Recht
behält, der schon im Januar 2005, keinen Monat nach der Einführung,
Hartz IV als Erfolg feierte, der ihm zeige, „dass Widerstände
organisierter Besitzstände weit weniger gefährlich sind , als es den
Anschein hatte…“ „Wenn die Leute nur geführt und überzeugt werden, dann
akzeptieren sie die Veränderung und richten sich ein.“ „Gefährliche organisierte Besitzstände“ das waren im Klartext für Biedenkopf: sozialversicherte Arbeitnehmer und Arbeitslosenhilfeberechtigte.
BGE oder Wiedereinführung der Arbeitslosenhilfe?
Manche
wollen ein bedingungslose Grundeinkommen (BGE) einführen und glauben,
die Probleme seien damit gelöst. Die Geschichte von Hartz IV zeigt, dass
die entschlossenen Reformakteure sehr wohl in der Lage wären, diesen
Wunsch aufzunehmen. Sie würden zunächst die Zusammenführung von
Sozialversicherung und Grundsicherung als Projekt auflegen und die
unzweifelhaften Ersparnisse durch den ersatzlosen Wegfall von
Sozialbehörden und – versicherungsbeiträgen durchrechnen lassen und dann
die Zusammenlegung von Verwaltungs- und Sozialgerichten und später mit
den Finanzgerichten angehen, weil das Finanzamt ohne sozialstaatlichen
Auftrag den dann nicht mehr an die Existenzsicherung und Menschenwürde
gekoppelten Betrag mit der Steuer unters Volk bringen kann.
Der
erwünschte Freiheitsgewinn würde allerdings deutlich getrübt, weil die
noch massenhaft vorhandenen einfachen und unattraktiven Arbeiten noch
billiger in Leiharbeits- und Beschäftigungsfirmen erledigt werden
müssten und könnten und man den „vergessenen“ Arbeitskräften ein wenig
Aktivität zum Erhalt ihrer Employability in ihrem wohlverstandenen
Interesse aufnötigen muss. Erfahrungen mit dem Einschleusen solcher
Kuckuckseier hat man ja genug.
Es
ist, aller Propaganda zum Trotz, nicht rückwärtsgewandt, neben
Mindestlohn und veränderter Zumutbarkeit, Erweiterung der
Arbeitslosenversicherung und Reduzierung des Sperrzeitwildwuchses eine
zumindest befristete Wiedereinführung der Arbeitslosenhilfe zu fordern.
Sie war nie besonders hoch, eröffnete aber viele
Gestaltungsmöglichkeiten und vermittelte eine gesichertere
Rechtsposition. Auch geförderte Beschäftigung muss wieder versichert
sein. Die Kommunen, die das als Verschiebebahnhof missbrauchen, müssen
anderweitig zur Kasse gebeten werden, genauso wie andere, die befristet
einstellen.
EKD & „DIE ZEIT“: Sozial ist, was Zwangsarbeit schafft
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damaliger Akademiepräsident und EKD
Ratsmitglied Robert Leicht (Bildeinfügung durch Blogger KM) |
Apropos:
Warum eigentlich im Französischen Dom? Der wird von der evangelischen
Akademie bewirtschaftet und deren damaliger Akademiepräsident und EKD
Ratsmitglied Robert Leicht hatte zur Präsentation vor 500
geladenen Gästen ausdrücklich eingeladen. Er sah eine tiefe
Verwandtschaft der Arbeit der Kommission zur protestantischen
Arbeitsethik und zu der Aufgabe der Akademie, „der Politik neues Gelände
zu roden- vor allem dort wo sie sich im Unterholz der Interessen und
Besitzstände ratlos, manchmal sogar rastlos und restlos festgefahren
hat“ Das klingt ähnlich wie bei der Bertelsmann Stiftung, die
ebenfalls großes Mitgefühl für die sozialpolitische Verpflichtung der
armen Politiker hat. Sie spricht dann von der institutionell
verkrusteten und lobbyistisch unterwanderten Republik und von der
hemmungslosen Interessenpolitik, in der Parteiapparate und politische
Stiftungen erstarren. Warum sagte der in seinem andern Berufsleben
wirtschaftsliberal profilierte ZEIT-Journalist Robert Leicht nicht
gleich: „im Unterholz des sozialen Rechtsstaates und des kollektiven
Arbeitsrechts festgefahren“? Wo er doch 2004 bedauerte, dass Hartz IV
nur den direkten Druck auf die Arbeitslosen aber nicht auch auf die
Tarifpartner bewirke. Dann hätte man vielleicht schon bei diesem Festakt
ahnen können, was kommen wird.
Quellen:
1 Vergl. dazu: Stunde der Technokraten in Junge Welt vom 22.2.2012
2
Hassel/Schiller: Der Fall Hartz IV, 2010 auch im Netz: diess: Die
politische Dynamik von Arbeitsmarktreformen in Deutschland am Beispiel
der Hartz IV-Reform, Abschlussbericht für die Böckler Stiftung, 2010
(Autoren bekamen im Anschluss Professuren bei Privatuni Hertie)
3
Helga Spindler, War auch die Hartz-Kommission ein Bertelsmann Projekt?
in: Wernicke/Bultmann, Bertelsmann- Netzwerk der Macht, 2007