Dienstag, 25. März 2014

Ist die Wende der Krim die erste einer langen Reihe? von Thierry Meyssan

 
„Vor unseren Augen“
Jenseits des emphatischen Aufschreis des Westens wegen dem Anschluss der Krim an die Föderation Russland, ist die eigentliche Frage, ob es sich um ein einmaliges Ereignis handelt oder ob es den Übergang von Osteuropa in Richtung Moskau andeutet. Da Brüssel nicht mehr als die Versklavung durch seine Bürokratie anzubieten hat, fürchtet es, dass seine derzeitigen Kunden ihr die Freiheit und das Geld von Moskau vorziehen könnten.

Der Westen donnert, um die "militärische Annexion" der Krim durch Russland zu verurteilen. Seiner Meinung nach kehre Moskau zur "Breschnew-Doktrin" zurück, bedrohe die Souveränität aller Staaten, die nicht nur der ehemaligen UdSSR, sondern auch dem Warschauer Pakt angehörten und sei bereit sie zu erobern, wie Moskau es in Ungarn 1956 und in der Tschechoslowakei im Jahr 1968 gemacht hatte.
Ist das tatsächlich wahr? Derselbe Westen ist natürlich von der bevorstehenden Gefahr nicht überzeugt. Wenn er auch in Worten die "Annexion" der Krim durch Wladimir Putin, jener des Sudetenlandes durch Adolf Hitler gleichstellt, glaubt er nicht, dass es einen Dritten Weltkrieg geben werde.
Bestenfalls wurden Sanktionen gegen einige russische Führer - einschließlich Leuten aus der Krim - durch die Blockierung ihrer Konten erteilt, falls sie in westlichen Banken Konten öffnen oder reisen wollten. Das Pentagon hat wohl 22 Kampfflugzeuge nach Polen und in die baltischen Staaten geschickt, aber es will im Moment nicht mehr tun, als diese Geste.

Was passiert wirklich? Seit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 und dem Malta-Gipfel vom 2. und 3. Dezember haben die Vereinigten Staaten nicht aufgehört, stetig im Vormarsch zu sein und gegen ihre Versprechungen einen nach dem anderen der europäischen Staaten - außer Russland – in die NATO einzugliedern.
Der Prozess begann wenige Tage später, Weihnachten 1989, mit dem Sturz der Ceausescus in Rumänien und ihrer Ersetzung durch einen anderen kommunistischen Würdenträger, Ion Iliescu, der plötzlich zum Liberalismus übergelaufen war. Zum ersten Mal organisierte die CIA einen Staatsstreich vor aller Augen, indem sie ihn durch einen neuen Fernsehsender CNN International als eine "Revolution" in Szene setzte. Es war der Anfang einer langen Reihe.
Zwanzig andere Ziele sollten folgen, oft auch auf einer ähnlichen betrügerischen Weise: Albanien, Ost-Deutschland, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Estland, Georgien, Ungarn, Kosovo, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Polen, Serbien, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und die Ukraine.

Kein Dokument wurde auf dem Gipfel von Malta unterzeichnet, aber Präsident Bush Sr., beraten von Condoleezza Rice, gab die mündlichen Zusage, dass kein Mitglied des Warschauer Paktes in der NATO aufgenommen würde. In Wirklichkeit trat die DDR de facto durch das einfache Spiel ihres Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland der Nato bei. Die Tür war somit offen, das heißt 12 ehemalige Mitglieder der Sowjetunion oder des Warschauer Paktes waren ihr beigetreten, und die anderen sind zum Bündnisbeitritt bereit.

Jedoch „haben auch die besten Dinge ein Ende“. Die Macht der NATO und ihr ziviler Zweig, die Europäische Union, geraten ins Wanken. Sicher war das Bündnis noch nie so groß wie jetzt, aber seine Armeen sind wenig wirksam. Sie glänzen auf kleinen Operations-Theatern, wie in Afghanistan, aber können jetzt nicht mehr Krieg gegen China oder Russland machen, mit der Gewissheit, ihn zu verlieren, wie es in Syrien in diesem Sommer geschah.

Letztlich ist der Westen über die russische Geschwindigkeit und Effizienz fassungslos. Während der Olympischen Spiele in Sotschi hat Wladimir Putin stoisch keinen Kommentar über die Ereignisse auf dem Maidan Platz abgegeben. Aber sobald er die Hände frei hatte, hat er reagiert. Jeder konnte dann sehen, wie er Karten ausspielte, die er während seinem langen Schweigen vorbereitet hatte. In wenigen Stunden haben prorussische Kräfte die pro-Kiew Kräfte der Krim neutralisiert, während eine Revolution in Simferopol organisiert wurde, um ein pro-russisches-Team an die Macht zu bringen. Die neue Regierung forderte ein Referendum für Selbstbestimmung, das eine riesige prorussische Welle, inklusive bei der Tatar Bevölkerung auslöste. Dann machten russische offizielle Truppen aus Soldaten, die sich noch auf Kiew beriefen, Gefangene mit ihrer Ausrüstung. All das, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern, mit Ausnahme eines ukrainischen pro-NATO Scharfschützen, der in Simferopol verhaftet wurde, nachdem er von beiden Seiten eine Person getötet hatte.

Vor zwanzig Jahren hätten die gleichen Krimbewohner sicherlich gegen Russland gestimmt. Aber heute ist ihre Freiheit viel besser von Moskau abgesichert, als von Kiew, wo ein Drittel der Regierung an die Nazis ging und die anderen zwei Drittel an Vertreter der Oligarchen. Darüber hinaus wurde ihre Bankrott-Wirtschaft sofort von der Bank von Russland erkannt, während Kiew, trotz des IWF und der Kredite aus den USA und der EU, für lange Zeit zur Armut verurteilt ist. Es war nicht notwendig, Russisch zu sprechen, um diese Wahl zu machen und trotz der westlichen Propaganda haben die muslimischen Tataren es auch so wie die russisch-sprechenden getan. Es ist auch die Wahl von 88 % des auf der Krim stationierten ukrainischen Militärs, das sich Moskau mit der festen Absicht angeschlossen hat, ihre Familien dorthin zu bringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft zu verschaffen.

Es ist auch die Wahl von 82 % der ukrainischen Matrosen auf See, allzu glücklich Russen geworden zu sein, und sie haben sich mit ihren Schiffen Moskau angeschlossen, ohne dazu in irgendeiner Weise gezwungen worden zu sein. Freiheit und Wohlstand, die die Verkaufsargumente seit fast 70 Jahren des Westens gewesen sind, haben die Seite gewechselt.

Das soll hier nicht heißen, dass Russland perfekt ist, sondern nur zeigen, dass für die Tataren und in der Realität auch für die meisten Europäer es attraktiver ist als das westliche Lager.

Deshalb markieren die Unabhängigkeit der Krim und ihre Mitgliedschaft an der Russischen Föderation die Rückkehr des Pendels. Zum ersten Mal beschließt ein ex-sowjetisches Volk, freien Willens, die Autorität von Moskau anzuerkennen. Was der Westen befürchtet, ist, dass dieses Ereignis mit dem Fall der Berliner Mauer einen vergleichbaren Effekt habe, aber anders rum.

Warum würden wir nicht Mitgliedstaaten der NATO – wie Griechenland- oder der Europäischen Union - wie Zypern - einfach den gleichen Weg nehmen sehen. Das westliche Lager würde sich dann zerstückeln und in eine sehr schwere Rezession fallen - wie einst das Russland von Jelzin -.
Darüber hinaus würde sich die Frage des Überlebens der Vereinigten Staaten unweigerlich stellen. Die Auflösung der UdSSR hätte die ihres Feindes, aber zugleich Partners, mit sich bringen sollen, da diese beiden Supermächte nur einander gegenüber stehend existierten. Dem war jedoch nicht so.

Als Washington von seinem Konkurrenten befreit war, widmete es sich der Eroberung der ganzen Welt, globalisierte die Wirtschaft und installierte die Neue Weltordnung. Es dauerte zwei Jahre und einen Monat bis die Sowjetunion nach dem Fall der Berliner Mauer sich auflöste. Werden wir bald die Auflösung der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union in mehrere Entitäten sehen, sowie es Igor Panarin von der diplomatischen Akademie in Moskau lehrt? Der Zusammenbruch wird umso schneller vorangehen, als Washington die Subventionen für seine Verbündete und Brüssel die Strukturfonds reduzieren werden.

Niemand sollte die Attraktivität von Russland fürchten, weil es eine imperiale Macht ist, aber keine imperialistische. Wenn Moskau auch dazu neigt, kleine Länder abzukanzeln, die es aber schützt, hat es nicht die Absicht, seine Hegemonie gewaltsam zu erweitern. Seine militärische Strategie ist die "Verweigerung des Zugangs" auf sein Gebiet. Seine Armeen sind die ersten der Welt in Sachen Anti-Luft- und Anti-Flotten-Verteidigung. Sie können Flotten von Bombern und Flugzeugträgern zerstören. Aber sie sind nicht ausgestattet, um die Welt zu erobern, noch sind sie in ausländischen Militärstützpunkten bereitgestellt.

Es ist besonders merkwürdig, den Westen zu hören, wenn er den Beitritt der Krim zur Russland-Föderation als völkerrechtswidrig und gegen die Verfassung der Ukraine verstoßend denunziert. War es nicht er, der die Sowjetunion und den Warschauer Pakt zerstückelte? War es nicht er, der die verfassungsmäßige Ordnung in Kiew brach?

Der deutsche Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, Frank-Walter Steinmeier, bedauert einen vermeintlichen russischen Willen „Europa in zwei zu schneiden“. Aber Russland hat die sowjetische bürokratische Diktatur entsorgt und beabsichtigt nicht, den Eisernen Vorhang wieder zu errichten. Es sind die USA, die Europa in zwei teilen wollen, um die Hämorrhagie zum Osten zu unterbinden.  
Die neue bürokratische Diktatur ist nicht mehr in Moskau, sondern in Brüssel, und sie heißt Europäische Union.

Von nun an versucht Washington seine Verbündete an sein Lager zu binden, entwickelt seine Raketenausstattung in Polen, Rumänien und Aserbaidschan. Es macht kein Geheimnis mehr daraus, das sein "Schild" nie dazu bestimmt war, iranischen Raketen zu begegnen, sondern um Russland angreifen zu können. Es versucht auch, seine europäischen Verbündeten zu wirtschaftlichen Sanktionen zu drängen, die den Kontinent lähmen würden und die das Kapital zur Flucht in die Vereinigten Staaten anleiten würden.
Das Ausmaß dieser Anpassungen ist derart, dass das Pentagon die Möglichkeit erwägt, seine "Wende zum Fernen Osten" zu unterbrechen, d.h. die Truppen Bewegung von Europa und dem Nahen Osten, für einen Krieg gegen China. Auf jeden Fall wird jegliche langfristige Strategieänderung kurz-und mittelfristig seine Heere noch mehr desorganisieren. Moskau verlangte gar nicht so viel, und beobachtet mit Freude die Reaktionen der Bevölkerung der östlichen Ukraine, und warum nicht auch in Transnistrien.

http://www.voltairenet.org/article182937.html

Thierry Meyssan
Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Al-Watan (Syrien)



English:
"Before our eyes"
Is Crimea’s Shift the First of a Long Series ?
by Thierry Meyssan

http://www.voltairenet.org/article182922.html


Français:
« Sous nos yeux »
Le basculement de la Crimée est-il le premier d’une longue série ?
par Thierry Meyssan

http://www.voltairenet.org/article182898.html 


Italiano:
Focus
Il cambio di campo della Crimea è il primo di una lunga serie?
di Thierry Meyssan

http://www.voltairenet.org/article182921.html


Espanol:
«Ante nuestra mirada»
¿Será la pérdida de Crimea la primera de una larga serie? 
por Thierry Meyssan 
http://www.voltairenet.org/article182933.html


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