Sonntag, 16. September 2007

Europas Schicksal ?

Europas spartanische Optionen
von Daniel Pipes
National Interest
März/April 2007
Europas langfristige Beziehungen zu seiner wachsenden muslimischen Minderheit – dem kritischsten Problem des Kontinents – werden einem von drei Pfaden folgen: harmonische Integration, Hinauswurf der Muslime oder eine islamische Übernahme. Welches dieser Szenarien wird am wahrscheinlichsten statt finden?
Europas Zukunft ist nicht nur für seine Einwohner von enormer Bedeutung. Ein halbes Jahrtausend lang, von 1450 bis 1950, bestimmten diese 7 Prozent der Landfläche die Weltgeschichte; seine Kreativität und Tatkraft erfanden die Moderne. Die Region mag diese Position bereits vor sechzig Jahren verloren haben, bleibt aber, was die wirtschaftlichen, politischen und intellektuellen Bereiche angeht, von überaus großer Bedeutung. Welchen Weg es einschlägt, hat daher wichtige Folgen für den Rest der Menschheit, besonders aber für seine Tochterländer wie die Vereinigten Staaten, die Europa historisch als Quelle von Ideen, Menschen und Waren angesehen haben.
Hier eine interessante Auswertung zur Wahrscheinlichkeit eines jeden der Szenarien.
I. Muslimische Herrschaft
Die verstorbene Oriana Fallaci stellte fest: Im Verlauf der Zeit „wird Europa mehr und mehr zu einer Provinz des Islam, einer Kolonie des Islam". Die Historikerin Bat Ye'or hat diese Kolonie „Eurabia" genannt. Walter Laqueur sagt in seinem in Kürze erscheinenden Buch „Last Days of Europe", dass das Europa, wie wir es kennen, sich verändern wird. Mark Steyn geht in „America Alone: The End of the World as We Know It" weiter und vertritt die Meinung, dass ein Großteil der westlichen Welt „das 21. Jahrhundert nicht überleben wird; ein großer Anteil wird noch zu unseren Lebzeiten verschwinden, darunter viele, wenn nicht die meisten europäischen Staaten". Drei Faktoren – Glaube, Demographie und ein Gefühl für (Kultur-)Erbe – sind Argumente dafür, dass Europa islamisiert wird.
Glaube: In Europa herrscht ein extremer Säkularismus vor, besonders unter den Eliten. Das geht so weit, dass gläubige Christen (wie beispielsweise George W. Bush) als mental unausgeglichen und nicht ungeeignet für öffentliche Ämter angesehen werden. Im Jahr 2005 wurde Rocco Buttiligione, einem hervorragenden Politiker und gläubigen Katholiken, der Posten als Italiens EU-Kommissar wegen seiner Ansichten zu Fragen wie Homosexualität verweigert. Der etablierte Säkularismus bedeutet auch leere Kirchen: in London, schätzen Forscher, gehen mehr Muslime freitags in die Moschee als Christens sonntags zur Kirche, obwohl die Stadt Heimat für grob sieben Mal mehr christlich geborene als muslimisch geborene Menschen ist. Der Islam meldet sich; Prinz Charles ist ein Beispiel für die Faszination, die viele Europäer angesichts des Islam empfinden. Die Zukunft könnte viele Übertritte erleben, denn, so soll G.K. Chesterton gesagt haben: „Wenn der Mensch aufhört an Gott zu glauben, dann glaubt er nicht an nichts, sondern er glaubt einfach alles."
Europas Säkularismus formt den Diskurs auf eine Weise, mit der die Amerikaner überhaupt nicht vertraut sind. Hugh Fitzgerald, früher Vizepräsident von JihadWatch.org, zeigt eine Dimension dieser Unterschiede auf:
Die erinnernswertesten Äußerungen amerikanischer Präsidenten haben fast immer erkennbar biblische Verse enthalten... Diese Quelle rhetorischer Stärke zeigte sich im Februar [2003], als das Space Shuttle Columbia auseinander brach. Wäre es kein amerikanisches, sondern ein französisches Shuttle gewesen und hätte Jacques Chirac eine solche Rede gehalten, würde er gut und gerne die Tatsache, dass es sieben Astronauten waren, genutzt haben und ein Bild der Plejaden beschworen haben, die erstmals in der heidnischen antiken Geschichte benannt wurden. Der amerikanische Präsident machte es auf einer feierlichen nationalen Zeremonie, die mit biblischem Hebräisch begann und endete, anders. Er entnahm seinen Redetext Jesaja 40,26, was zu einem nahtlosen Übergang von Mischung aus Verwunderung und Atemlosigkeit angesichts der vom Schöpfer hervorgebrachten himmlischen Gestirne zum Trost wegen des irdischen Verlustes der Besatzung.
Der lebhafte Glaube der Muslime mit der begleitenden Sensibilität für Jihad und islamische Überlegenheit, könnte sich nicht stärker von dem verfallenden der europäischen Christen unterscheiden. Dieser Kontrast führt dazu, dass viele Muslime Europa als Kontinent betrachten, der für Konversion und Dominierung reif ist. Ungeheuerliche Überlegenheits-Behauptungen sind das Ergebnis, so die Äußerung von Omar Bakri Mohammed: „Ich will, dass Großbritannien ein islamischer Staat wird. Ich will die Flagge des Islam in der Downing Street 10 wehen sehen." Oder die Vorhersage eines belgischen Imam: „Wir werden bald die Macht in diesem Land übernehmen. Diejenigen, die uns jetzt kritisieren, werden es bereuen. Sie werden uns dienen müssen. Bereitet euch vor, denn die Stunde ist nahe."[1]
Bevölkerung: Der demographische Kollaps deutet ebenfalls darauf hin, dass Europa islamisiert wird. Die Gesamtgeburtenrate des heutigen Europa liegt bei 1,4 Kinder je Frau, während zum Erhalt der eigenen Bevölkerung etwas mehr als zwei Kinder pro Ehepaar oder 2,1 Kinder je Frau benötigt werden. Derzeit beträgt sie gerade zwei Drittel dessen, was nötig wäre; ein Drittel der erforderlichen Bevölkerung kommt schlichtweg nicht auf die Welt.
Um die starke Verminderung der Bevölkerung und allen damit zusammenhängenden Nöten zu vermeiden – insbesondere das Fehlen von Arbeitskräften, um die großzügigen Rentenpläne zu finanzieren – braucht Europa Einwanderer – und zwar jede Menge. Dieses importierte Drittel der Bevölkerung tendiert dazu muslimisch zu sein, teilweise weil die Muslime in der Nähe sind – es sind nur 13 Kilometer von Marokko nach Spanien, nur ein paar Hundert nach Italien von Albanien oder Libyen; teilweise verbinden koloniale Bindungen von Südasien nach Großbritannien oder dem Maghreb nach Frankreich; teilweise herrschen Gewalt, Tyrannei und Armut in der muslimischen Welt von heute derart vor, dass dies eine Auswanderungswelle nach er anderen auslöst.
Gleichermaßen ergänzt die hohe Geburtenrate der Muslime die geringe Kinderzahl der einheimischen Christen. Obwohl die muslimische Geburtenrate fällt, bleibt sie signifikant höher als die der einheimischen europäischen Bevölkerung. Die hohe Geburtenrate hat ohne Zweifel etwas mit den vormodernen Umständen zu tun, in denen viele muslimischen Frauen Europas sich wiederfinden. In Brüssel ist „Mohammed" seit einigen Jahren der beliebteste Name für neu geborene Jungen, während Amsterdam und Rotterdam dabei sind, um 2015, die ersten großen europäischen Städte mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung zu werden. Der französische Analyst Michel Gurfinkiel schätzt, dass bei einem ethnischen Straßenkrieg in Frankreich sich die Kinder der indigènes und der Einwanderer in etwa im Verhältnis ein zu eins gegenüber stehen würden. Aktuelle Vorhersagen sehen eine muslimische Mehrheit in der russischen Armee um das Jahr 2015 voraus, im gesamten Land um das Jahr 2050.
Gefühl für Erbe: Was oft als Europas political correctness dargestellt wird, spiegelt das wider, von dem ich glaube, dass es ein tiefer gehendes Phänomen ist, nämlich die Entfremdung vieler Europäer von ihrer Zivilisation, ein Gefühl, dass ihre historische Kultur es nicht wert ist, dass man für sie kämpft oder sie überhaupt bewahrt. Es ist bemerkenswert die diesbezüglichen Unterschiede innerhalb Europas zu sehen. Das vielleicht am wenigsten für diese Entfremdung anfällige Land ist Frankreich, wo der traditionelle Nationalismus immer noch vorherrscht und die Franzosen auf ihre Identität stolz sind. Großbritannien ist der am stärksten entfremdete Staat, was durch das klägliche Regierungsprogramm „ICONS – A Portrait of England" (Bilder – ein Porträt Englands) symbolisiert wird, mit dem man reichlich lahm hofft den Patriotismus wieder zu entfachen, indem man die Briten wieder mit ihren „Nationalschätzen" verbindet – solchen wie Winnie Puh und dem Minirock.
Diese Unterschiede haben direkte und nachteilige Auswirkungen für muslimische Einwanderer, wie Aatish Taseer im Magazin Prospect erklärte:
British zu sein ist der am stärksten nur den Namen nach gültige Aspekt der Identität vieler junger britischer Pakistanis... Wenn man die eigene Kultur verunglimpft, setzt man sich der Gefahr aus, dass die später Gekommenen sich andernorts umsehen. So weit es in diesen Fall angeht, hat für viele britische Pakistanis der zweiten Generation die Wüstenkultur der Araber mehr Anziehungskraft als die britische oder auch die subkontinentale Kultur. Dreimal einem dauerhaften Identitätsgefühl entzogen, ist für diese Pakistanis der zweiten Generation die Energie geladene extranationale Weltsicht des radikalen Islam eine verfügbare Identität geworden.
Eingewanderte Muslime verachten die westliche Zivilisation weit gehend, besonders ihre Sexualität (Pornografie, Scheidung, Homosexualität). Nirgendwo in Europa sind die Muslime assimiliert, selten finden Misch-Hochzeiten statt. Hier ein anschauliches Beispiel aus Kanada: Die Mutter des berüchtigten Khadr-Nachwuchses, der als „erste" Terrorfamilie bekannt ist, kam im April 2004 mit einem ihrer Söhne aus Afghanistan und Pakistan zurück. Trotz ihrer Zufluchtsuche in Kanada bestand sie nur einen Monat vorher darauf, dass von der Al-Qaida gesponserte Ausbildungslager der beste Ort für ihre Kinder seien. „Wäre es Ihnen lieber, dass ich mein Kind in Kanada aufziehe, wo er im Alter von 12 oder 13 Jahren auf Drogen wäre oder homosexuelle Beziehungen hätte? Ist das besser?"
(Ironischerweise sahen in den vergangenen Jahrhunderten, wie der Historiker Norman Daniel dokumentiert hat, die Christen Europas auf die Muslime mit ihren mehreren Frauen und den Harems als übersexualisiert herab und fühlten sich deswegen moralisch überlegen.)
Zusammengefasst: Dieses erste Argument vertritt, dass Europa islamisiert sein werden wird, sich still in den Dhimmi-Status unterwirft oder zum Islam konvertiert, weil das Yin Europas und das Yang der Muslime so gut zu einander passen: geringe und starke Religiosität, geringe und hohe Geburtenraten, geringes und hohes kulturelles Selbstvertrauen.[2] Europa ist eine offene Tür, durch die die Muslime einmarschieren.
II. Muslime werden zurückgewiesen
Oder wird ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen? Der amerikanischen Kolumnist Ralph Peters tut das erste Szenario ab: „Weit davon entfernt die Aussicht darauf zu genießen, das sie durch das Kinderkriegen Europa übernehmen werden, ist die Uhr für Europas Muslime abgelaufen... Voraussagen einer muslimischen Übernahme Europas... ignorieren die Geschichte und Europas nicht auslöschbarer Brutalität." Statt dessen stellt er Europa als Ort dar, „wo Völkermord und ethnische Säuberungen perfektioniert wurden" und sagt voraus, dass seine Muslime „Glück haben werden, wenn man sie nur deportiert" und nicht tötet. Claire Berlinski stimmt dem in „Menace in Europe: Why the Continent's Crisis Is America's, Too" (Bedrohung in Europa. Warum die Krise des Kontinents auch die Amerikas ist) implizit zu; sie deutet auf die „alt hergebrachten Konflikte und Muster... die jetzt aus der Mitte der europäischen Geschichte heraus geschlurft kommen und ohne Weiteres Gewalt auslösen könnten.
Dieses Szenario sieht die einheimischen Europäer – die immer noch 95 Prozent der Bevölkerung des Kontinents stellen – eines Tages aufwachen und sich behaupten. „Basta!", werden sie sagen und ihre historische Ordnung zurückfordern. Das ist nicht so undenkbar; Reibungen unter den Europäern, weniger bei den Eliten als bei den Massen, protestieren lauthals gegen bereits begonnene Veränderungen. Zu den Illustrationen solcher Ablehnungen gehört die Anti-Hijab-Gesetzgebung in Frankreich, Irritation über die Restriktionen für Nationalflaggen und christliche Symbole und das Bestehen darauf bei Staatsbanketten Wein zu servieren. Anfang 2006 entwickelte sich in einigen französischen Städten spontan eine Bewegung Armen Suppe mit Schweinefleisch auszugeben, womit gewollt Muslime davon ausgeschlossen wurden.
Dies sind sicher geringfügige Dinge, aber aufständische Anti-Einwanderungsparteien sind bereits in vielen Staaten aufgekommen und fangen an nicht nur effektive Kontrolle der Grenzen zu fordern, sondern auch die Ausweisung illegaler Einwanderer. Eine nativistische Bewegung formt sich weit gehend unbemerkt unter unseren Augen in ganz Europa. So mager die Ergebnisse bisher sein mögen, hat sie riesiges Potenzial. Einwanderung und dem Islam entgegen stehende Parteien haben allgemein neofaschistische Hintergründe, werden im Laufe der Zeit aber respektabler, werfen ihre antisemitische Herkunft und ihre dubiosen Wirtschaftstheorien ab und konzentrieren sich statt dessen auf Fragen des Glaubens, der Demographie und Identität und studieren den Islam und die Muslime. Die British National Party und Belgiens Vlaams Belang sind zwei Beispiele für eine solche Bewegung hin zu Respektabilität, der eines Tages Wählbarkeit folgen könnte. Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich im Jahre 2002 erwiesen sich am Ende als ein Wettstreit zwischen Jacques Chirac und dem neofaschistischen Jean-Marie Le Pen.
Andere Parteien haben bereits die Macht geschmeckt. Jörg Haider und die Freiheitspartei Österreichs waren kurzzeitig im Amt. Die Lega Nord in Italien war Jahre lang Teil der regierenden Koalition. Die werden vermutlich stärker werden, weil ihre antiislamistische und oft antiislamische Botschaft Widerhall findet und die Mainstream-Parteien werden ihre Botschaft teilweise übernehmen. (Dänemarks Konservative Partei bietet sich als Modell an; nach 72 Jahren im Abseits kam sie 2001 wieder an die Macht, im Wesentlichen wegen der Wut bezüglich der Einwanderung.) Diese Parteien werden wahrscheinlich davon profitieren, wenn die Einwanderung nach Europa unkontrollierbar auf höhere Level steigt, wozu vielleicht ein Massenexodus aus Afrika gehört, wie viele Indikatoren es andeuten.
Einmal an der Macht, werden die nationalistischen Parteien den Mulitkulturalismus zurückweisen und versuchen traditionelle Werte und Sitten wieder zu etablieren. Man kann nur spekulieren, welche Mittel sie einsetzen und wie die Muslime reagieren werden. Peters verweilt bei den Faschisten und den gewalttätigen Aspekten einer Gruppen und erwartet eine heftige antimuslimische Reaktion, die drohende Formen annehmen wird. Er zeichnet sogar ein Szenario vor, bei dem „Schiffe der US Navy vor Anker liegen und US Marines in Brest, Bremerhaven und Bari an Land gegangen sind, um die sichere Evakuierung der Muslime Europas zu garantieren".
Seit Jahren haben die Muslime Sorge wegen genau einer solchen Einsperrung und verrohenden Behandlung, der Ausweisung und sogar Massaker folgen. Bereits Ende der 1980-er Jahre brachte Kalim Siddiqui, Direktor des Londoner „Muslim Institute", das Schreckgespenst von „Gaskammern für Muslime nach dem Vorbild Hitlers" auf. Shabbir Akhtar warnte 1989 in seinem Buch „Be Careful With Muhammad" (Sei mit Mohammed vorsichtig), dass „es das nächste Mal, dass es in Europa Gaskammern gibt, keinen Zweifel darüber gibt, wer sich darin befinden wird", womit er Muslime meinte. Eine Figur in Hanif Kureishis Roman „The Buddha of Suburbia" (Der Buddha der Vorstadt) von 1991 bereitet den Guerillakrieg vor, der seiner Erwartung nach folgen wird, nachdem „die Weißen sich schließlich gegen die Schwarzen und Asiaten wandten und versuchten uns in die Gaskammern zu zwingen".
Es ist aber wahrscheinlicher, dass die europäischen Anstrengungen zu Wiedergewinnung friedlich und legal initiiert werden, wobei die Muslime – unter Beibehaltung der Muster der Einschüchterung und des Terrorismus der jüngeren Vergangenheit – diejenigen sind, die die Gewalt initiieren. Viele Umfragen bestätigen, dass rund 5 Prozent der britischen Muslime die Bombenanschläge vom 7. Juli begrüßen, was eine allgemeine Bereitschaft andeutet auf Gewalt zurückzugreifen.
Wie auch immer das ablaufen wird, es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine europäische Behauptung in Zusammenarbeit stattfinden wird.
III. Integrierte Muslime
Im glücklichsten Szenario finden die bodenständigen Europäer und die muslimischen Einwanderer einen Modus vivendi und leben harmonisch zusammen. Das vielleicht klassische Statement dieser optimistischen Erwartung war eine Studie von 1991: „La France, une chance pour l'Islam" (Frankreich, eine Chance für den Islam) von Jeanne Hélène und Pierre Patrick Kaltenbach. „Zum ersten Mal in der Geschichte", schrieben sie, „wird dem Islam die Chance geboten in einem demokratischen, reichen, laizistischen und friedlichen Staat aufzuwachen." Diese Hoffnung lebt weiter. Ein Leitartikel des „Economist" von Mitte 2006 behauptet, „zumindest im Moment sieht die Aussicht von Eurabia wie Panikmache aus". Zu dieser Zeit behauptete Jocelyne Cesari, Dozentin für islamische Studien an der Harvard Divinity School, es existiere eine Balance: So wie „der Islam Europa verändert", sagte sie, „verändert Europa den Islam". Sie befindet: „Die Muslime in Europa wollen die Natur der europäischen Staaten nicht verändern" und erwartet, dass sie sich in den Europäischen Kontext einpassen.
Solcher Optimismus hat leider wenig Grundlagen. Die Europäer könnten doch noch ihren christlichen Glauben wieder entdecken, mehr Babys bekommen und ihr eigenes Erbe hoch halten. Sie könnten nicht muslimische Einwanderung fördern oder dafür sorgen, dass die Muslime unter ihnen sich die europäische Kultur aneignen. Aber solche Veränderungen sind jetzt weder auf den Weg gebracht, noch bestehen dafür gute Aussichten. Statt dessen kultivieren die Muslime ihre Unzufriedenheiten und Ambitionen, die sie mit ihren einheimischen Nachbarn in Streit bringen. Es erregt Besorgnis, dass jede Generation weiter entfremdet zu sein scheint als die vorherige. Der kanadische Romanautor Hugh MacLennan nannte die englisch-französische Teilung seines Landes die „zwei gewollten Einsamkeiten"; man erkennt, dass sich etwas Ähnliches, aber weitaus Ausgeprägteres, in Europa entwickelt. Beispielsweise stellen Umfragen unter britischen Muslimen fest, dass die Mehrheit von ihnen einen Konflikt zwischen ihrer britischen und ihrer muslimischen Identität empfinden und das islamische Recht eingeführt sehen möchten.
Die Möglichkeit, dass die Muslime die Grenzen des historischen Europa akzeptieren und sich reibungslos hinein integrieren, kann praktisch von den Überlegungen ausgeschlossen werden. Sogar Bassam Tibi, Professor an der Universität Göttingen, der oft warnte, „Entweder wird der Islam europäisiert oder Europa wird islamisiert", hat für sich den Kontinent aufgegeben. Vor kurzem kündigte er an, dass er Deutschland nach 44 Jahren verlassen wird, um an die Cornell University in den USA zu gehen.
Schlussfolgerung
Der amerikanische Kolumnist Dennis Prager fasst es so zusammen: „Es ist schwierig sich ein anderes Szenario für Westeuropa vorzustellen, als dass es islamisiert wird oder ein Bürgerkrieg stattfindet." Und tatsächlich scheinen diese beiden höchst unattraktiven Alternativen Europas Wahl zu bilden, wobei mächtige Kräfte in die entgegengesetzten Richtungen der muslimischen Übernahme bzw. der Zurückweisung der Muslime ziehen; Europa als Anhängsel Nordafrikas oder in einem Zustand des Quasi-Bürgerkriegs.
Wie wird es kommen? Die entscheidenden Ereignisse, die diese Frage lösen werden, müssen sich noch ereignen, also kann man es jetzt noch nicht sagen. Der Zeitpunkt für die Entscheidung nähert sich allerdings schnell. In etwa innerhalb des nächsten Jahrzehnts wird der heutige Fluss verändern, die Gleichung Europa-Islam sich verhärten und der zukünftige Kurs des Kontinents sollte sich offenbaren.
Diesen Kurs richtig vorauszuahnen wird um so schwieriger, als er historisch ohne Beispiel ist. Kein großes Territorium ist je von einer Zivilisation zu einer anderen gewechselt, weil die Bevölkerung, der Glaube und die Identität zusammenbrachen; auch hat niemals ein Volk in derart großem Maße sein Erbe eingefordert. Die Neuheit und das Ausmaß der misslichen Lage Europas machen es schwierig das zu verstehen, sie verlocken dazu Dinge zu übersehen und machen eine Vorhersage unmöglich. Europa marschiert in terra incognita.
Daniel Pipes ist Direktor des Middle East Forum und Gastprofessor an der Pepperdine University in Kalifornien. Dieser Artikel ist aus einem Gespräch für eine Konferenz des Woodrow Wilson Center zum Thema „Euro-Islam: The Dynamics of Effective Integration" (Euro-Islam: Die Dynamik effektiver Integration) entstanden.
[1] De Morgen, 5. Oktober 1994. Zitiert in: Koenraad Elst: „The Rushdie Rules", Middle East Quarterly, Juni 1998.
[2] Die Feststellung ist auffällig, dass auf diese drei Arten Europa und die USA sich vor 25 Jahren weit mehr glichen als heute. Das deutet an, dass ihre Spaltung weniger aus historischen Mustern erfolgt ist, die Jahrhunderte zurückgehen, sondern eher von Entwicklungen in den 1960-er Jahren. So stark dieses Jahrzehnt sich auf die USA ausgewirkt hat, hatte es doch weitaus stärkeren Einfluss auf Europa.
Von http://de.danielpipes.org Originalartikel bei: http://de.danielpipes.org/article/4327

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