Die Frankfurter Schule ging aus dem Institut für Sozialforschung (IfS) der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main hervor, das auf Betreiben des Mäzens Felix Weil 1924 (Einweihung am 22. Juni) im Anschluss an die Universität begründet wurde und das in den ersten Jahren von Carl Grünberg geleitet wurde. Unter der Leitung von Max Horkheimer (offizieller Direktor seit 1931, nach Grünbergs Erkrankung aber de facto seit 1930) entstand 1932 die Zeitschrift für Sozialforschung als theoretisches Organ des Instituts. Darin formulierten und diskutierten Institutsmitglieder und nahestehende Intellektuelle die Grundzüge einer „Kritischen Theorie“ der Gesellschaft, die als unorthodoxe Spielart des Marxismus angesehen werden kann, und führten sie aus.
Zu den Institutsmitgliedern gehörten unter anderem Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Erich Fromm, Leo Löwenthal, Franz Neumann, Otto Kirchheimer und Friedrich Pollock. Auch Walter Benjamin, der während seiner Emigration vom Institut finanziell unterstützt wurde, lieferte bedeutende Beiträge.
Das Institut wurde 1933 gewaltsam geschlossen, und man entschied, Deutschland zu verlassen. Da die durch den Nationalsozialismus drohende Gefahr bereits frühzeitig erkannt wurde, hatte man bereits 1931 das Stiftungsvermögen in die Niederlande transferiert und eine Zweigstelle in Genf errichtet. So konnte der Hauptsitz 1933 nach Genf verlegt werden. Schließlich emigrierte das Institut, mit einer weiteren Zwischenstation in Paris, in die Vereinigten Staaten. Horkheimer baute das Institut für Sozialforschung an der Columbia University in New York neu auf. Im Exil arbeiteten Adorno und Horkheimer unter anderem an einer umfangreichen Studie zum Autoritären Charakter.
Nach der Rückkehr Adornos und Horkheimers aus der Emigration an die Goethe-Universität (1950) gewann die Frankfurter Schule für die 68er-Bewegung große Bedeutung und prägte Teile der deutschen akademischen Soziologie stark in Richtung der Kritischen Theorie. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung sollte unter Horkheimers Leitung zu einer interdisziplinär arbeitenden Institution werden, in der theoretische Grundlagenkritik mit empirischen Studien vermittelt werden.(Wikipedia)
http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Schule
Wenn diese Kritische Theorie heute auch kein allgemein anerkanntes Weltinterpretationssystem mehr ist, so ist ihr Einfluss auf die Wissenschaften, auf die Gesellschaft und die Politik nachhaltig (FAZ v. 18.6.99). Sie ist richtungsweisend für die gesamte Politik und entscheidend für die "political correctness" in allen Kommunikationsmedien der gesamten Gesellschaft und der Kirchen.
Rudolf Willeke
Hintergründe der 68er-Kulturrevolution
Frankfurter Schule und Kritische Theorie
Einführung zu den Begriffen Frankfurter Schule und Kritische Theorie
Eine philosophische Schule wie die Frankfurter Schule besteht aus der Gemeinschaft der Lehrer- und Schülergeneration, die durch gemeinsame Grundanschauungen, durch gemeinsame Forschungsmethoden und Ziele miteinander verbunden sind und die sich mit einer Idee oder mit einem Programm identifizieren.
Die Namen Frankfurter Schule und Kritische Theorie hat Max Horkheimer in den frühen 30er Jahren erfunden und genutzt, um seine Position vom dogmatischen Marxismus abzugrenzen und um zu dokumentieren, dass die `Frankfurter´ einen revisionistischen Marxismus (Neomarxismus) vertreten. Dogmatisch-orthodoxer Marxismus wurde in den 30er Jahren mit KPD und Stalinismus gleichgesetzt.
Zugleich wollte Horkheimer seiner Theorie eine ganz besondere Aura, ein unverwechselbares Merkmal der qualitativen Unterscheidung von anderen Theorien, etwa der Philosophie des Deutschen Idealismus, verleihen.
Die Kritische Theorie der Frankfurter Lehrer und Schüler meint ein Denken, das in einer offenen Form der marxistischen Tradition steht und das der Abschaffung von Herrschaft (jeder Art, d. Verf.) verpflichtet ist.1
Für den bekannten Historiker Golo Mann, der in der amerikanischen Emigration sozusagen Hausnachbar von Horkheimer war, ist Kritische Theorie nichts anderes als `Marxismus für feine Leute´, also Intellektuelle.
Kritische Theorie unterscheidet sich grundlegend von traditionellen Theorien und Wissenschaften, die vom Interesse an Objektivität und Wahrheit geleitet sind. Kritische Theorie ist demgegenüber vom Interesse an Veränderung der bestehenden Gesellschaft geleitet und aus diesem Grunde an der Hervorbringung eines bestimmten Verhaltens, d.h. `Kritischen Verhaltens´ interessiert.
Das erkenntnisleitende Interesse der `Frankfurter´ ist auf Veränderung und kritisches Verhalten gerichtet.
Dieses kritische Verhalten zeige sich in dem bewussten Widerspruch gegen das gesellschaftliche Ganze. Die `Kritik´ ist prinzipielle Kritik, d.h. eine Grundhaltung der Verneinung aller Wirklichkeit und zugleich Kampf gegen das Bestehende, also gegen die bürgerliche Gesellschaft im weitesten Sinne.
Kritische Theorie will die Wirklichkeit nicht beschreiben, sie will sie verändern, sie steht damit im polemischen Widerspruch zu allen traditionellen Wissenschaften, insbesondere zur Philosophie des Deutschen Idealismus.2
Damit ist schon angedeutet, dass die Gründerväter der Frankfurter Schule Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Jürgen Habermas, aber auch deren frühe Mitarbeiter, etwa der Sexualtheoretiker und Sexualpolitiker Wilhelm Reich, der evangelische Religionsphilosoph und Theologe Paul Tillich, die Psychoanalytiker Erich Fromm und Alexander Mitscherlich und der marxistische Nationalökonom und KP-Funktionär Friedrich Pollock und viele andere keine neuen Ideen hervorbrachten oder verwirklichten, die Väter standen vielmehr auf den Schultern der geistigen Großväter, vor allem auf Karl Marx und Sigmund Freud, bzw. der geistigen Urgroßväter Jean-Jacques Rousseau und der Französischen Revolution von 1792 (nicht 1789).
Marx und Freud, beide prominente Vertreter des philosophischen Materialismus, nahmen die These Rousseaus auf, dass die `Zivilisation das Glück des Menschen, das ihm im Naturzustand zuteil wurde, zerstört und die Sitten verdorben habe´. Von Natur aus sei der Mensch gut, erst mit dem Privatbesitz, der eigentlichen Ursünde des Kapitalismus, seien Herrschaft und Unterdrückung und damit Unglück und Bosheit in die Welt gekommen.3
Allein durch die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln könne die Herrschaft von Menschen über Menschen endgültig beendet und eine menschenwürdige Gesellschaft - das Paradies auf Erden - errichtet werden.
Die Parole `Zurück zur Natur´ findet heute noch ihren Widerhall in der Technikfeindlichkeit und ökologischen Besessenheit der Grün/Alternativen.
Der marxistische Appell `Proletarier aller Länder, vereinigt euch!´ lautet in der neomarxistischen Version `Intellektuelle aller Institutionen, emanzipiert euch!´.
Während der Marxismus/Sozialismus an die ökonomisch-sozial verelendeten Proletarier appellierte und eine Arbeiterbewegung in Gang setzte, die die Basis (Produktionsverhältnisse) ändern, vielleicht sogar mit Gewalt umstürzen (revolutionieren) sollte, wendet sich der Neomarxismus der `Frankfurter´ an die intellektuell und psychosozial verelendeten Subjekte im Bildungssystem, d.h. im kulturellen Überbau. Er bewirkte 1968 eine Studentenbewegung, die den kulturellen Überbau revolutionieren, d.h. eine Kulturrevolution durchführen sollte, deren Folgen Thema dieser Publikation sind.
Die gesamte Programmatik der Frankfurter Schule und der neu-linken Bewegung lässt sich als Kulturrevolution, als Umbau des Menschen, seiner Psyche, seines Denkens und Strebens und seines Lebens, als Umbau der Institutionen, die das menschliche Bewusstsein und Verhalten prägen sowie als Umwälzung der gesamten Kultur und Zivilisation beschreiben.
Die Studentenrevolte von 1968 war kein Randphänomen der Gesellschaft, sondern eine wirkliche Revolution.
Da es unmöglich ist und auch nicht der Anschein erweckt werden soll, das Ideen- und Lehrgebäude der `Frankfurter´, das aus mehr als 40 Büchern, 50 Aufsätzen und Tausenden von Brief- und Manuskriptseiten besteht4, adäquat darstellen zu wollen, werden nur einige zentrale Thesen der Kritischen Theorie herausgegriffen.
Marcuse fordert nichts weniger als die Regression, pointierter noch, die Retrogression des Menschen zur frühkindlichen (strukturlosen, polymorph-perversen) Sexualität.
Hier bitte den gesamten Artikel lesen.
Die "Sezession im Netz" / schreibt unter "Sex 68":
Tatsächlich sind all diese und andere tiefgreifende Veränderungen in der Bewertung sexuellen Verhaltens geprägt von der mythenzerstörenden Aufklärung und der Fortschrittsgläubigkeit der Moderne, die Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufklärung zum Inbegriff der gesamten Zivilisationsgeschichte ernannten. Das Dilemma der 68er war allerdings, daß sie weder die »Dialektik« als »konstitutive Affirmität der Vernunft zur Barbarei« (Frank Böckelmann) verstanden, noch daß sie geistig in der Lage waren, ihren Anteil am letzten Modernisierungsschub und ihre Rolle als nützliche Idioten einer Fundamentalliberalisierung der Gesellschaft zu erkennen. Das ist tragisch, aber nicht zu ändern.
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